Gerechtigkeitsbrunnen Worms

Das Corona-Grundrechte-Geschwafel der Populisten

Bei den Recherchen für unseren letzten Blog-Artikel hatten wir uns auch auf der Website des AfD Kreisverbandes Worms Alzey umgesehen (siehe Lokalpolitik Worms und Corona: "Sitzung entfällt"). Dabei fielen uns hervorgehobene Artikel ins Auge, in denen völlig willkürlich und ohne Abwägung mal das eine, mal das andere Grundrecht als Argument zitiert wurde, als seien die Grundrechte ein Selbstbedienungsladen. Aber so funktioniert unser Grundgesetz nicht.

Grundrechte haben unterschiedliche Prioritäten

Manchmal können sich Grundrechte widersprechen, deswegen muss ihre Rangfolge beachtet werden.

Einfaches Beispiel: Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert zwar Meinungsfreiheit, muss sich aber dem Artikel 1 (Schutz der Menschenwürde) beugen. Die Meinungsfreiheit endet also dort, wo sie die Würde von Menschen verletzt, womit sich beispielsweise die Gesetze gegen Verleumdung, Beleidigung, üble Nachrede, Hassrede etc. begründen.

Corona und Schutz der Menschenwürde

Vielfach wird argumentiert, der Maskenzwang lasse sich nicht mit Menschenwürde vereinbaren. Das ist natürlich ein fieser Schlag ins Gesicht aller Chirurgen, Zahnärzte, Krankenschwestern auf Intensivstationen, Fließbandarbeitern in Lebensmittelbetrieben, Lackierern, Landwirten etc., die schon immer einen Großteil ihres Berufsleben mit Maske verbringen mussten. Wir finden nicht im Geringsten, dass dies deren Würde verletzt, sondern wir haben Hochachtung vor deren verantwortungsvollem Handeln.

Jedoch sind Zustände, wie sie besonders Italien erlebte und in denen wegen der Überlastung des Gesundheitssystems bei Corona-Patienten in einer brutalen Triage über Leben und Tod entschieden werden musste, Patienten einsam sterben und nach Massen-Leichentransporten ohne Trauerfeier bestattet werden mussten, sicherlich entwürdigend. Für die deutsche Regierung könnte sich aus Artikel 1 also ableiten, dass sie alles tun muss, damit sich solche Zustände nicht in Deutschland wiederholen.

Körperliche Unversehrtheit

Artikel 2 des Grundgesetzes garantiert unter anderem körperliche Unversehrtheit. Aus diesem Grundrecht lassen sich beispielsweise Nichtraucherschutz und Fahrverbote bei Smog-Alarm ableiten. Gerade letzteres Beispiel lässt sich gut mit Corona vergleichen: Eine gesundheitliche Gefahr für die Bevölkerung (im einen Fall Luftschadstoffe, im anderen Fall Viren) muss eingedämmt werden, notfalls auch durch Fahrverbote und Stilllegung von umweltbelastenden Industrien oder aber – im Fall von Corona – beispielsweise durch Kontaktbeschränkungen.

Andere Grundrechte müssen sich unterordnen

Corona tangiert auch weitere Grundrechte, wie zum Beispiel das Recht auf Freizügigkeit oder Versammlungsfreiheit. Diese Grundrechte sind keineswegs außer Kraft gesetzt, aber sie müssen sich in behutsamer Abwägung den oben genannten unterordnen.

Seien Sie wachsam!

Wenn Sie ein Traktat entdecken, das sich isoliert auf ein einzelnes Grundrecht beruft, denken Sie mit und überprüfen Sie die Argumentation! Corona verlangt uns allen viel ab, und gerade deswegen gebietet die Diskussion darüber weise Abwägung statt dumpfer Parolen. Nicht umsonst ist die Waage das Symbol für Gerechtigkeit.


Titelbild: Gerechtigkeitsbrunnen Worms; giggel, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons